Die Brautausstattung im 20. Jahrhundert

Braut wirft die Vorhänge zurückZu Beginn des Jahrhunderts war die Mode geprägt vom Wohlstand einer lang anhaltenden Friedenszeit. Auch bei der Herstellung von Brautkleidern wurden dementsprechend edle Stoffe wie Seide und kostbare Spitze verwendet. Gleichzeitig war man in dieser vom Überfluss geprägten Phase offen für besonders extravagante Modelle. Das bekannteste Beispiel aus dieser Zeit war das Kleid von Lady Elizabeth Bowes Lyon (heute besser bekannt als „Queen Mum“) bei ihrer Hochzeit 1923 mit dem Duke of York, dem späteren König George VI, dazu trug sie Schleier und Orangenblütenkranz. Zur Ausstattung der damaligen Bräute gehörten außerdem luxuriöse Dessous, die aus feinster Spitze gearbeitet und mit neckischen Motiven wie Engelchen und Herzen verziert waren.

Die wilden 20er

Im Zuge der vielfältigen Veränderungen nach dem Krieg änderte sich auch das Frauenbild. Frauen eroberten zusehends Männerdomänen: Sie wurden berufstätig, trieben Sport und begannen in der Öffentlichkeit zu rauchen. Selbstbewusste, unabhängige und moderne Frauen wurden zu Vorbildern. Die gewandelte Stellung der Frau in der Gesellschaft hatte auch Auswirkungen auf die Bekleidung. Nun war es Frauen auch bei offiziellen Anlässen möglich, Kleidung zu tragen, die bequem war und Bewegungsfreiheit bot. Entscheidend dafür war die Abschaffung des Korsetts. Die Röcke wurden kniekurz, und die Kleider in Hängerform überspielten Taille und Büste. Ein modischer Kurzhaarschnitt konnte die jungenhafte Erscheinung der Damen zusätzlich betonen. Der Einfluss der neuen Damenmode auf Brautkleider war direkt nach Kriegsende noch nicht zu erkennen. Vorerst waren sie mit langem Rockteil und Schleppe noch eher am Stil der Zeit um 1915 orientiert. Nach und nach wurde aber auch an dieser Stelle der 20er-Jahre-Stil erkennbar. Auch farbige Stoffe und geometrische Muster, die neue Tendenzen aus Design und Architektur aufgriffen, tauchten auf. Daneben gab es weiterhin aufwändige Varianten aus Tüll, Taft und Spitze. Man trug einen Schleier, der meist an einem Kranz befestigt wurde und bis zur Kniekehle oder zu den Knöcheln reichte.

Der Glamour der 30er-Jahre

In den 30er-Jahren setzte in vielen künstlerischen Bereichen eine „neue Klassik“ ein. An die Stelle der kurz zuvor beliebten schlichten, funktionalen Mode traten nun wieder bodenlange und figurbetonte Kleider, die an antiken Vorbildern angelehnt waren. Die Frauen erschienen darin sehr elegant und statuenhaft. Diesem sehr femininen Stil entsprechen häufig auch die Brautkleider der Zeit. Die fließende Optik wurde zuweilen noch durch eine Schleppe und einen langen Schleier betont.

Der nationalsozialiste Einfluss auf die Brautmode in Deutschland

Die emanzipatorische Bewegung wurde unter der nationalsozialistischen Regierung entkräftet. Die Frau wurde wieder auf die Rolle der Gattin, Hausfrau und Mutter festgelegt. Gesundheit, Natürlichkeit und Schlichtheit wurden zum weiblichen Schönheitsideal erklärt. Der glamouröse und auch internationale Charakter der Brautmode der 30er-Jahre wurde in Deutschland zwischen 1933 und 1945 durch einen fast biederen, volkstümlichen Stil ersetzt. Puffärmel und weite Röcke waren daher sehr gefragt. Im zweiten Weltkrieg, als die Produktion nach und nach zum Erliegen kam, bestand kaum noch die Möglichkeit ein speziell angefertigtes Brautkleid zu bekommen. Dem aktuellen Stil entsprachen züchtig hochgeschlossene und weitgeschnittene Kleider, welche die Körperformen verhüllten. Dazu trug man, wenn möglich, einen langen, üppigen Schleier mit einer Art Strahlenkranz, der hoch vom Kopf abstand. Nach dem Krieg in der Zeit allgemeiner Knappheit wurden Brautkleider häufig aus Ersatzstoffen wie Fallschirmseide hergestellt oder ältere Kleider wurden umgearbeitet. Der Schnitt der Kleider wurde schulterbetont und tailliert.

Die 50er-Jahre und der „New Look“

In den 50er-Jahren war es der Wunsch vieler Frauen in der Familie eine Welt der Normalität aufzubauen, die im Kontrast zu dem überall vorhandenen Chaos und der Zerstörung stand. Nicht erwerbstätig zu sein wurde außerdem zum Zeichen von Wohlstand, es war beliebt sich ausschließlich um Haushalt, Ehemann und Kinder zu kümmern. Dementsprechend hob die neue Silhouette des „New Look“ in der Damenmode die Weiblichkeit hervor. Der Stil erinnert an die 1850er-Jahre: mit enganliegenden Oberteilen und von steifen Petticoats gestützten Röcken wurden Büste und Wespentaille betont. Zudem spiegelten die weiten Röcke, für die große Mengen Stoff verwendet wurden, den Wunsch nach Üppigkeit infolge der Notzeit wider. Für einen Großteil der Frauen blieb diese Mode allerdings unerschwinglich. Es gab die große Sehnsucht nach einer romantischen Hochzeit in Weiß. Man bemühte sich, in einer Zeit der materiellen Knappheit der Hochzeit einen festlichen Rahmen zu geben. Brautkleider gab es in ausladenden bodenlangen Varianten und in mädchenhaften Ausführungen mit Petticoats, die knapp unter dem Knie endeten. In weiten Teilen der Bevölkerung wurde darauf geachtet, dass das Kleid durch nachträgliche Änderungen noch als Abendkleid wiederzuverwenden war. Beim Kopfschmuck konnte die modebewusste Braut zwischen Krönchen, Diadem, Blütenbouquet oder Häubchen wählen, das jeweils mit einem glockig fallenden Schleier, der bis zur Taille oder Hüfte reichte, kombiniert wurde.

Geradlinigkeit in den 60ern

Zu Beginn der 60er-Jahre setze eine Gegenbewegung zur Mode des vorangegangenen Jahrzehnts ein: An die Stelle von drapierterten Stoffen und voluminösen Röcken traten gerade Schnitte und glatte Stoffbahnen. Diese neue Schlichtheit prägte auch die damalige Brautmode. Der Schleier tauchte in unterschiedlichen Längen auf und wurde besonders modisch mit einer Pillbox getragen.

Die Hippiehochzeit

Im selben Jahrzehnt änderte die Hippiebewegung grundsätzlich die Einstellung der Jugend zur Ehe. Paare die auf die Hochzeit nicht ganz verzichten wollten, erschienen zur Trauung teilweise in Jeans und zeigten dadurch ihre Ablehnung gegenüber traditionellen Werten. Zu dieser Zeit begann sich der Brauch zu lockern, dass nur Bräute, die jungfräulich in die Ehe gingen, Weiß tragen durften.

Vielfalt in den 70er-Jahren

Das ohnehin schon länger in Frage gestellte klassische Rollenbild geriet in den 70er-Jahren im Zuge von sexueller Revolution und Feminismus weiter ins Wanken. Außereheliche sexuelle Beziehungen, die „wilde Ehe“, wurden zunehmend gesellschaftsfähig. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewann für Frauen mehr und mehr an Bedeutung. In fortschrittlichen Kreisen wurde die Kleidung zur Hochzeit weiterhin als Statement gegen bürgerliche Scheinmoral genutzt: Statt eines aufwändigen Kleides trugen viele Bräute schlichte Outfits, bestehend aus Rock und Bluse, was auch damit zusammenhing, dass immer mehr Paare auf die kirchliche Trauung verzichteten. Aber auch weiße Brautkleider wurden noch getragen. Der mädchenhafte Empirestil mit hoher Taille war sehr beliebt und es gab noch eine große Auswahl von anderen modischen Schnitten: Beispielsweise war auch der Gang zum Traualtar im Minikleid und in Plateauschuhen möglich. Gleichzeitig existierten weiterhin romantische Vorstellungen, es gab neben schlichten Kleidern auch solche mit Rüschen, Volants, plastischen Blüten- oder Rankenapplikationen.

Das Prinzessinnenkleid von Lady Di

In den 80er-Jahren lebten bereits viele unverheiratete Paare zusammen und hatten teilweise auch gemeinsame Kinder. Beziehungen wurden zur Privatsache, die Besiegelung durch Staat oder Kirche war nicht mehr notwendig. Als Reaktion darauf entstand die Sehnsucht nach Romantik und Orientierung an traditionellen Werten, die sich in der Hochzeitsmode durch besonders opulent gekleidete Bräute ausdrückte. Als Auslöser für das Comeback der Märchenbraut wird häufig das Hochzeitskleid von Lady Diana Spencer bei ihrer Hochzeit mit Prince Charles 1981 gesehen. Es wurde häufig kopiert und bewirkte sogar eine Belebung der Brautmodenindustrie. In den nächsten zehn Jahren orientierten sich viele Kleider wie dieses am Stil des 19. Jahrhunderts und wirkten allein durch die verwendeten Stoffmengen und ihren Umfang prunkvoll. Die Schultern wurden mit Polstern und Puffärmeln stark betont, dazu trug man weite Reifröcke oder Röcke, die mit Petticoats gestützt wurden.

Romantische Brautkleider in den nüchternen 90er-Jahren

Der modische Purismus der 90er-Jahre hatte nicht sehr großen Einfluss auf die Brautmode: das Modell des engen Oberteils in Kombination mit einem langen, weiten Rock blieb weiterhin grundlegend, die Schultern wurden allerdings weniger betont. Statt dessen gab es vermehrt kurzärmelige und schulterfreie Kleider.

Bei konventionellen Brautausstattern sind weiterhin beinahe unabhängig von der sonstigen Mode Kleider mit engem, häufig ärmellosem Korsagenoberteil und ausgestelltem, bodenlangen Rock, die an vergangene Jahrzehnte und Epochen erinnern, sehr verbreitetet. Im Zuge des gegenwärtigen Körperkults tauchen aber auch sehr schmale, figurumspielende Silhouetten auf und manche Braut zeigt viel Haut. Für das Kleid wird im Unterschied zur Alltagsgarderobe häufig ein enormer Aufwand mit zahlreichen Anproben und Anpassungen betrieben. Bis heute ist das Brautkleid in vielen Fällen Ausdruck einer romantischen Sehnsucht, es scheint eine Art Verkleidung als Prinzessin für einen Tag geworden zu sein.