Die Entstehung des weißen Brautkleides
Um ihren Hochzeitstag zu einem unvergesslichen Ereignis zu machen, investieren Paare häufig viel Zeit und Geld. Eine tragende Rolle bei der Gestaltung des Festes spielen zahlreiche Rituale und vielerlei Gegenstände, die symbolische Bedeutung haben. Neben den Eheringen ist für den Großteil der Brautpaare das weiße Kleid fester Bestandteil einer romantischen Hochzeit. Das Brautkleid hat eine lange Geschichte, zumindest wurde zu fast allen Zeiten in nicht alltäglichen Kleidern geheiratet.
Eine Ausnahme bildet lediglich die Phase Anfang der 60er bis etwa zur Mitte der 70er Jahre, als die Rebellion gegen bürgerliche Normen zu einer generellen Ablehnung traditionell ausgerichteter Feste führte. Generell ist das Brautkleid eines der emotional und symbolisch am stärksten aufgeladenen Kleidungs- stücke, in dem sich neben dem Zeitgeschmack auch das Selbstbild und die Träume der Menschen wiederspiegeln. In seiner Geschichte wird das sich wandelnde Frauenbild und das Verhältnis von Männern und Frauen zueinander sichtbar. Auch die symbolische Bedeutung der Brautausstattung hat sich teilweise mit der Zeit verändert oder ist sogar ganz verloren gegangen.
Das Brautkleid als Zeichen der Wiedergeburt
Seit dem Konzil von Trient 1563 galt das weiße Brautkleid im Sinne der katholischen Kirche als Symbol der Unschuld. Vorerst versinnbildlichte das Ablegen der alten und das Anziehen der neuen, reinen, weißen Kleidung, ähnlich wie bei Taufe und Erstkommunion, die Wiedergeburt des Menschen in der Gemeinschaft der Kirche. Zahlreiche königliche Bräute in Europa kleideten sich zu dieser Zeit in weiße Roben, in die silber- oder goldfarbenen Fäden eingearbeitet waren. Die bürgerliche Braut besaß hingegen noch kein spezielles Kleid für die Hochzeit, sondern trug eines, das zwar besonders festlich war, aber später von ihr weiter verwendet werden konnte. Diese Kleider variierten stark in Bezug auf Farbe, Schnitt und Musterung und lassen sich keinem bestimmten modischen Stil zuordnen.
Zum Ende des 18. Jahrhunderts kamen auch in der bürgerlichen Schicht vermehrt rosafarbene, silbrig-blaue und weiße Brautkleider auf. Um die Jahrhundertwende wird im Allgemeinen der Zeitpunkt der Entstehung des weißen Brautkleides mit dem weißen Schleier als wichtigstem Accessoire gesehen. Trotzdem fiel teilweise die Unterscheidung von anderen Gesellschaftskleidern schwer, denn weiß wurde generell zur neuen Modefarbe und stand für edlen, guten Geschmack. Außerdem wurden auch im Alltag noch Schleier getragen.
Die jungfräuliche Braut in Weiß
Zwar war es in großen Teilen der Bevölkerung weiterhin üblich, sich kein Kleid ausschließlich für den Tag der Hochzeit zuzulegen, aber die spezielle Brautmode spielte in der bürgerlichen Gesellschaft eine immer größere Rolle. Schon damals hatte in Europa die Brautmode des englischen Königshauses großen Einfluss: durch das Kleid der englischen Königin Viktoria bei ihrer Hochzeit mit Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha 1840 wurde weiß als Farbe des Brautkleides immer beliebter. Die Bedeutung der Braut in Weiß hatte sich allerdings mittlerweile verschoben. Weiß stand nicht mehr für den Übergang in einen neuen Lebensabschnitt im Zeichen der Kirche, sondern von nun an für Jungfräulichkeit. Der gesellschaftliche Hintergrund liegt im Wandel der Werte zu dieser Zeit. Wurden im 18. Jahrhundert Leidenschaften noch außerhalb der Ehe ausgelebt, galt im 19. Jahrhundert im Bürgertum zunehmend Treue als Ideal. Insbesondere der Lebensmittelpunkt der Ehefrau hatte in gesellschaftlich führenden Kreisen in der Liebe zu ihrem Mann und ihren Kindern zu liegen. Neben ihrer symbolischen Bedeutung erfüllten helle Farben den Zweck, Exklusivität zu signalisieren und den besonderen Status der Braut hervorzuheben, wie es bis heute üblich ist.
Die Braut als kunstvoll verpacktes Geschenk
Die Mode in der Zeit von etwa 1848 bis 1870 wird als Zweites Rokoko bezeichnet und ist Ausdruck der reaktionären Politik dieser Jahre. Die Damenkleidung des aufstrebenden Bürgertums war an die Silhouette des Hofes im 18. Jahrhundert angelehnt: die eng geschnürte Taille, betonte Büste und der ausladende Rock waren Ausdruck des Frauenbildes einer Zeit, in der die Frau am Hochzeitstag als kunstvoll verpacktes Geschenk zum Besitz des Mannes wurde. Gleichzeitig nahm die Beliebtheit des weißen Brautkleides ab. Im Bürgertum wurde aus Sparsamkeit häufig ein wiederverwendbares, meist schwarzes Hochzeitskleid gewählt, wie es bei der einfacheren Bevölkerung ohnehin üblich war. Die Erfindung der Nähmaschine machte es in der zweiten Hälfte der 19. Jahrhunderts vielen Frauen möglich, sich selbst ein Kleid nach eigenen Vorstellungen zu nähen. In den oberen gesellschaftlichen Schichten gab es weiterhin ein allein für den Hochzeitstag bestimmtes Kleid. Bei den sehr reichen Trägerinnen war dieses ausgesprochen extravagant und an der neusten Mode orientiert. Durch die opulente Kleidung, repräsentierte die Frau als kostbarer Besitz den Status ihres Mannes. Sie selbst war durch das eng geschnürte Korsett und den weiten Rockteil in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Auf diese Weise wurde die Kleidung der Frauen der Reichen zum Ausdruck ihres Müßiggangs.